Lachgas-Lehrbuch online

Anwendungsgebiete


Lachgas zur Geburt im Kreißsaal

Vortrag von Prof. J. Weimann zum Stellenwert von Lachgas in der Schmerzbehandlung während Geburten beim Kongress der International Confederation of Midwifes in Prag 2014 - in englischer Sprache

Ein weites Spektrum von Möglichkeiten der Schmerzbehandlung steht heute der Gebärenden im Kreißsaal zur Verfügung. Dies reicht von Massagen, Aromatherapie und Akupunktur bis hin zu starken Schmerzmitteln wie Opiaten (v.a. Pethidin/Dolantin® oder Meptazinol/Meptid®) und der Periduralanalgesie ("PDA", auch "EDA" oder Epiduralanalgesie genannt).

Daneben ist die Inhalation einer Mischung aus 50% Lachgas und 50% Sauerstoff seit Jahrzehnten in der Geburtshilfe bekannt und in Ländern wie z.B. Großbritanien und Schweden in routinemäßigem Gebrauch. Seit 2008 ist diese Gasmischung unter dem Handelsnamen LIVOPAN® (→ Fachinfo) auch in Deutschland zugelassen.

Cochrane Review belegt schmerzlindernde Wirkung von Lachgas unter der Geburt

Nach einer Serie von Übersichtsarbeiten der Cochrane Collaboration zur Schmerzbehandlung unter der Geburt kommen Jones et al. [Jones 2012] zu dem Schluss, dass eine den Wehenschmerz lindernde Wirkung einzig für die Periduralanalgesie und die 50/50-Lachgas-Sauerstoff-Mischung nachgewiesen ist. Für die Opioidanalgetika ist eine Wirkung lediglich wahrscheinlich, während sie für alle übrigen Methoden nicht als nachgewiesen gelten kann - wenngleich diese ebenfalls von vielen Gebärenden als angenehm und hilfreich empfunden werden. Andere Inhalationsanästhetika, wie Halothan o.ä., spielen in der geburtshilflichen Schmerztherapie keine Rolle mehr [Klomp 2012].

Indikationen

Video aus dem Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara, Halle (Saale)

Der Einsatz von LIVOPAN® ist vor allem dann angezeigt, wenn aus medizinischen Gründen - wie etwa einer Thromboseprophylaxe - keine Periduralanästhesie (PDA) möglich ist. Wenn es zu spät für das Setzen einer PDA ist oder wenn eine PDA von der Schwangeren abgelehnt wird, steht damit eine willkommene Alternative zur Verfügung. Auch zur Überbrückung der Zeit bis zu einer PDA ist der Einsatz von LIVOPAN® denkbar.

Anwendung in der Praxis

Die Applikation des Gasgemisches erfolgt über eine Maske oder ein Mundstück, welches die Gebärende selbstständig hält. LIVOPAN® lindert die Schmerzen während der Wehen, ohne die Uteruskontraktionen zu beeinflussen. Frauen können auf diese Weise annähernd eine “natürliche Geburt” mit weniger Schmerzen erleben.

Wichtig ist, dass das Lachgas-Sauerstoff-Gemisch schon vor Beginn der jeweiligen Wehe eingeatmet wird, da die maximale analgetische Wirkung mit einer Verzögerung von etwa 30 Sekunden bis zu drei Minuten eintritt. Der rechtzeitige Beginn der Anwendung vor Einsetzen der Wehe ist daher entscheidend, um eine maximal wirksame Analgesie zu erreichen [Rooks 2011, Rosen 2002].

LIVOPAN® als Fertiggemisch ist bei Bedarf schnell verfügbar. Das mobile Therapiesystem ist dank seiner einfachen und sicheren Handhabung bereits nach wenigen Handgriffen einsatzbereit. Vorteilhaft ist, dass bei einer Monotherapie mit LIVOPAN® und bei der in der Geburtshilfe üblichen Verabreichung über eine Maske mit bedarfsgesteuertem Ventil von einem Verlust der Schutzreflexe nicht auszugehen ist und somit auch keine Nüchternheit der Gebärenden nötig ist. Die Frauen bleiben während der Anwendung durchweg ansprechbar und können die Dosierung selbst durch die Atemtiefe beeinflussen. Weitere Vorteile sind die gute Verträglichkeit sowie die minimalen kardiovaskulären Auswirkungen des Gasgemischs.

Nebenwirkungen und Sicherheit

Als Nebenwirkungen werden Schwindel, Benommenheit, Euphorie, Übelkeit und Erbrechen genannt, die aber durch das schnelle Abfluten des Gases innerhalb weniger Minuten nach Beenden der Therapie wieder verschwinden.

Durch das nicht veränderbare Mischungsverhältnis von 50% Lachgas und 50% Sauerstoff sind Fehler in der Anwendung minimiert, so dass die Gabe von LIVOPAN® sehr sicher ist [Onody 2006].

Eine Überdosierungen von mehr als 79% Lachgas kann zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff (Hypoxie = eingeatmete Sauerstoff-Fraktion von weniger als 21%) führen. Dies wurde bisher nur in Zusammenhang mit fehlerhaft zusammengebauten Narkosegeräten beschrieben [siehe: "Tod durch Lachgas?"]. Durch die feste Mischung von Lachgas mit Sauerstoff im Verhältnis von 50% zu 50% in einer Druckgasflasche, wie es in der Geburtshilfe eingesetzt wird, ist eine solche fatale Überdosierung ausgeschlossen.

Ebenso wird eine Sauerstoffunterversorgung während Lachgassedierung im Kreißsaal durch eine sog. Diffusionshypoxie nicht beobachtet. Gemeint ist, dass bei Beenden der Lachgas-Inhalation Lachgas wegen seiner Ausscheidungskinetik besonders schnell aus dem Kreislauf in die Lungen übertritt und dort zu einer verminderten Konzentration von Sauerstoff führen könnte. Dies ist jedoch nur dann zu beobachten, wenn hohe Lachgas-Konzentrationen (mehr als 50%) verwendet werden. Bei der Verwendung von maximal 50% Lachgas in 50% Sauerstoff (wie z.B. bei LIVOPAN®) ist der Sauerstoff-Anteil während der Inhalation so hoch (eben 50%, und nicht nur 21% wie bei Raumluft), dass eine Diffusionshypoxie nicht vorkommt.

Gemeinsame Stellungnahme von DGAI und DGGG

Eine gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) beschäftigt sich nun mit der Anwendung von Lachgas zur Schmerztherapie im Kreißsaal [PDF von der Website der DGAI vom 28.10.2014].

Weitere Themen:

Embryo-/Fetotoxizität | Lachgas als Treibhausgas | Interaktion mit Vitamin-B12 | Arbeitsplatzbelastung

letzte Aktualisierung: 21.09.2015
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